Frau Bader, die Mitarbeiterin der Kommunikationsabteilung der ETH Alumni, ist dank dem Landboten auf mein Abenteuer gestossen. Sie hat mir einige Fragen gestellt und ich habe diese ausführlich beantwortet. Vieles habt ihr schon erfahren, denn noch fassen die Antworten mein bisheriges Abenteuer schön zusammen.
- Du hast es bis nach Indien geschafft und das mit dem Velo. Welches Erlebnis bleibt dir in ganz besonderer Erinnerung?
Auf meiner Reise habe ich wahnsinnig viel erlebt. Besonders in Erinnerung bleiben wird mir aber mein Wochenende im überschaubaren Lahna in der Türkei. Ich suchte einen Platz für mich und mein Zelt, als ich einige Jugendliche im Schatten eines Baumes entdeckte. Ich radelte zu ihnen und wurde freundlich begrüsst und zu einem Bier eingeladen. Mit Hand und Fuss und etwas Englisch versuchte ich ihnen zu erklären, dass ich gerne hier mein Nachtlager aufschlagen möchte. Sie sagten mir, dies sei zwar möglich, doch sicher nicht gemütlich. Stattdessen solle ich mit ihnen mit kommen und im Dorf übernachten. Auf dem Weg nach Hause stärkten wir uns in der Dorfbeiz mit Köfte. Ich durfte natürlich nicht bezahlen. Den Abend verbrachte ich im Jugendraum. Wir hörten gemeinsam Musik, tranken Bier und erzählten aus unserem Leben. Auch die nächsten Tage verbrachte ich mit der Dorfjugend, denn es stand eine Hochzeit an. Das Fest war fantastisch und ich konnte den ganzen Abend nicht aufhören über beide Backen zu stahlen. Die neuen Freundschaften pflege ich dank Whatsapp immer noch. Ich freue mich bereits auf die Hochzeit meines Gastgebers.
- Gab es auch negative Ereignisse?
Leider hatte ich auf meiner Reise auch einen Unfall. In Bafra am Schwarzen Meer wurde ich von einem Auto angefahren. Doch ich hatte wahnsinnig Glück im Unglück. Mein Fahrrad, meine Kamera und mein Tablet wurden zerstört, doch ich überstand den Unfall nahe zu unbeschadet. Zu Beginn war ich hauptsächlich traurig darüber meine Bilder und mein Tagebuch, welche auf dem Tablet gespeichert waren verloren zu haben. Unterdessen realisiere ich immer mehr welches Glück ich hatte.
- Wie war die Unterstützung auf deiner Reise von Menschen zu Hause, aber auch von den Menschen, die du unterwegs getroffen hast?
Vor meiner Reise erhielt ich von verschiedenen Firmen materielle Unterstützung für mein Abenteuer. Ein Freund mit slowenischen Wurzeln erzählte mir viel über ihre Kultur. So viel mir der Einstieg in die Balkanländer einfacher. Doch ich hielt mich beim Anfragen von Tipps etwas zurück. Ich wollte ja, dass die Reise meine persönliche Erfahrung wird und nicht durch Vorinfos zu fest beeinflusst wird. Ich denke diese Balance ist mir sehr gelungen.
Unterwegs erhielt ich fast immer die benötigte Unterstützung. In manchen Ländern musste man proaktiver sein und in anderen wurde man ohne zu fragen mit Infos und Essen unterstützt. Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle das Iranische Volk. Jeden Tag wurden wir, mein Vater begleitete mich auf dem zweiten Teil meiner Reise, mindestens einmal zu einer Tasse Tee eingeladen. Meistens mussten wir gleich zum Essen bleiben. Hin und wieder hielt auch ein Auto am Strassenrand an und überreichte und frische Früchte oder eine Flasche mit Eiswasser. Besonders in der Wüste waren wir sehr dankbar darüber.
- „The Hindu“ schrieb einen Artikel über dich, wie gross ist das Interesse an deiner Person in Vediyappanur?
Vediyappanur ist ein kleines Dorf 6km ausserhalb von Tiruvannamalai, einer Stadt mit 300‘000 Einwohnern. Hier kennen mich fast alle und grüssen mich freundlich. Wenn ich zum Einkaufen in die Stadt fahre, muss ich hin und wieder für ein Selfie hinhalten. Manchmal erkennen sie mich auch als den Velofahrer. Da Reisen den meisten Indern unbekannt ist, können sie es nicht verstehen, warum ich diese Strapazen auf mich genommen habe. Die klassische Aussage lautet: „Von Mumbai hätte es auch einen direkten Flug gegeben!“
Vor zwei Wochen fand in der Stadt ein gigantisches Fest statt. Die 3 mio. Besucher wanderten dabei um den Berg. Ich stürzte mich kurz ins Getümmel und traf dabei einige Kinder der Schule an. Diese waren unendlich Stolz einen Weissen zu kennen.
- Du bist jetzt schon ein paar Wochen am Ziel deiner Reise angekommen, wie fühlst du dich in deiner neuen Rolle als Lehrperson?
Meine Rolle ist ziemlich schwierig zu definieren. Ich bin das Mädchen für alles und versuche die Lehrerinnen und das restliche Team so gut wie möglich zu unterstützen. Bei einer Klassengrösse von 30 Kindern ist es sehr schwierig sich um jedes einzelne Kind zu kümmern. Besonders Kinder mit einer Lernschwäche kommen häufig zu kurz. Diese entführe ich bei Gelegenheit aus dem Mathematik-Unterricht und versuche ihnen das Verständnis vor Zahlen spielerisch beizubringen. Für einen Jungen insbesondere ist diese extra Zeit mit mir nicht nur aus didaktischen Gründen wertvoll. Er bekommt zu Hause keine Aufmerksamkeit und somit auch keine Wertschätzung für seine Person.
- Was sind besondere Momente, die du bei deiner Tätigkeit als Lehrer erlebt hast?
Wenn dieser Junge mich am Morgen erblickt, mich anstrahlt und sich auf den Unterricht freut, dann ist dies ein wunderbares Gefühl. Während der Monsun Zeit ist die Schule häufig wegen den starken Niederschlägen ausgefallen. An solch einem freien Tag kamen die Lehrerinnen trotzdem zur Schule, um von mir unterrichtet zu werden. Ich zeigte ihnen einige neue Unterrichtsmethoden und motivierte sie besonders dazu auch einen Mal ihre Schulunterlagen zur Seite zu legen und etwas Neues auszuprobieren. Als eine Lehrerin am nächsten Schultag die Klasse zusammen rief und gemeinsam mit den Schülern eine Geschichte erfand, war das eine riesige Freude für mich. Am meisten freute mich aber, dass diese Lehrerin ihren Spass an dieser Unterrichtsform hatte und nun immer wieder etwas Frisches ausprobiert.
- Deine Gegend versinkt gerade im Chaos, die Regenzeit hat Strassen und Städte überflutet. Wie erlebst du diese Zeit?
Diese Zeit ist sehr schwer zu beschreiben. An der 100km entfernten Küste herrscht komplette Landunterstimmung. Die Topographie dort ist topfeben und die Landschaft geprägt vom Reisanbau. Diese Felder sind mehrheitlich überflutet und viele Verkehrswege abgeschnitten. Wir, die Regenboog India Foundation und ich, haben in Tiruvannamalai Nahrungsmittel und Kleider gesammelt und diese im Krisengebiet verteilt. Die Bevölkerung hat uns dabei überrascht. Wir erhielten tonnenweise Kekse, Brote und Wasserflaschen. Auch einige einflussreiche Personen aus der Privatwirtschaft unterstützen uns mit ihren Kontakten. Ich hoffe nun, dass wir diese Leute auch für eine langfristige Zusammenarbeit gewinnen konnten.
- Du wirst im Februar in die Schweiz zurückkehren. Wirst du dich weiterhin für die Projekte in Indien engagieren oder wirst du dich wieder ganz dem Maschinenbau widmen?
Im Gegenzug zur materiellen Unterstützung vom VeloPlus muss ich in ihren Filialen Vorträge über meine Reise halten. Auch den spendenden Kirchgemeinden werde ich einen Besuch abstatten und von meinen Erlebnissen berichten. Wenn sich jemand für ein Volontariat interessiert, kann er in Zukunft mit mir Kontakt aufnehmen und ich kann ihn etwas auf sein Abenteuer vorbereiten. Vor allem aber werde ich persönlich immer in Kontakt mit meinen indischen Freunden bleiben.
- Was sind deine Pläne für die Zukunft? Kannst du dir vorstellen, dein Studium mit deinen Erfahrungen aus Indien zu verknüpfen?
Dies kann ich mir nicht nur vorstellen, sondern dies wird ganz bestimmt der Fall sein. All die Erlebnisse auf meiner Reise haben meinen ganzen Körper und auch meine Denkweise beeinflusst. Vielleicht bemerke ich es nicht, doch einige meiner Handlungen werden sich sicherlich verändern und meine Erfahrungen unterbewusst einfliessen. Ich freue mich auch wieder auf das Studium und darauf neues zu lernen.
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